Presseerklärung zum 4. Todestag Oury Jallohs - von Int. Liga für
Menschenrechte/Afrikarat, Flüchtlingsrat Berlin und Migrationsrat Berlin-Bbg

Presseerklärung zum 4. Todestag Oury Jallohs

Presseerklärung zum 4. Todestag Oury Jallohs - von Int. Liga für
Menschenrechte/Afrikarat, Flüchtlingsrat Berlin und Migrationsrat Berlin-Bbg

Presseerklärung zum 4. Todestag Oury Jallohs

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Die Internationale Liga für Menschenrechte fordert eine umfassende
Aufklärung der Umstände, die zum Verbrennungstod von Oury Jalloh im
Polizeigewahrsam führten.

Vor genau vier Jahren, am 7. Jan. 2005, verbrannte der aus Sierra Leone
stammende und in der Bundesrepublik Schutz und Asyl suchende Oury Jalloh in
Zelle Nr. 5 des Polizeireviers Dessau. Am 8. Dez. 2008 wurden die
angeklagten Polizeibeamten frei gesprochen. Wie der Vorsitzende Richter
Manfred Steinhoff es ausdrückte, war der Prozess ?schlicht und ergreifend
gescheitert?.

Der lange Zeit verschleppte Strafprozess gegen die beiden Polizisten wurde
erst nach massivem Druck der schwarzen Community und der Initiative Im
Gedenken an Oury Jalloh möglich. In dem 22 Monate dauernden Prozess mit 60
Verhandlungstagen ging es allerdings keineswegs primär um die Aufklärung der
Umstände, die zum Tod von Oury Jalloh geführt hatten. Im Mittelpunkt stand
vielmehr die Rekonstruktion der letzten Minuten und Sekunden unmittelbar
davor. Deshalb ging es letztlich nur noch um die Frage, ob die Angeklagten
möglicherweise fahrlässig gehandelt bzw. sich der unterlassenen
Hilfeleistung schuldig gemacht hatten (oder nicht).

Das Gericht hatte sich, der Anklage folgend, von Anbeginn auf Selbsttötung
festgelegt. Oury Jalloh, so die unwahrscheinliche und im Prozess nicht
bewiesene These, habe die feuerfeste Matratze selbst angezündet - obwohl er
auf dieser von den Polizisten an Händen und Füßen fixiert worden war. Die
systematische Untersuchung der Möglichkeit eines Fremdverschuldens am Tod
Oury Jalloh war damit frühzeitig verbaut, wenn nicht sogar von vorneherein
ausgeschlossen.

Man konnte im Laufe des Verfahrens den Eindruck gewinnen, dass die Lügen
und widersprüchlichen Aussagen von Polizeizeugen sowie die Manipulationen
und verschwundenen Beweise nicht lediglich das Werk einzelner Polizisten
seien, sondern der Vertuschung der Brandursache und der Irreführung des
Gerichts durch die Polizei dienten. Richter Steinhoff stellte folglich am
Ende fest: "Sie – dieses Corps der Polizeibeamtinnen und Beamten, die
Leitung eingeschlossen – alle haben dem Rechtsstaat geschadet". Allerdings
ignorierte das Gericht die vielen Indizien, die auf andere Todesursachen
hätten hinweisen können.

Das Gericht ging sogar so weit, zum Ende des Prozesses der Familie Jalloh
5.000 Euro anzubieten, die dem Hauptangeklagten als Auflage aufgebürdet
werden sollten, wenn sie mit der Einstellung des Verfahrens einverstanden
wären. Was die Eltern zutiefst als Beleidigung empfanden, drückte der Bruder
von Oury Jalloh offen aus: Das Gericht will "Wahrheit gegen Geld tauschen".
Fragwürdig bleibt überdies auch, mit welcher Absicht der Richter der Familie
auf diese Weise noch zum Ende des Verfahrens die Möglichkeit zur Revision zu
verbauen versuchte.

Zweifel am Willen zur Wahrheitsfindung und folglich auch am Umgang der
Polizei, der Staatsanwalt- und Richterschaft mit der Pflicht zur rigorosen
Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit in Sachen Rassismus, kommen
unweigerlich auf. Dies umso mehr als der Fall Oury Jalloh für die Behandlung
von Flüchtlingen, ImmigrantInnen und Minderheiten durch staatliche
Institutionen keineswegs einzigartig ist.

Institutioneller und struktureller Rassismus in der Bundesrepublik
Deutschland, insbesondere im Bereich Justiz und Polizei, wurden daher
wiederholt auch von internationalen Gremien in deutlicher Form kritisiert.
Zuletzt im August 2008 vom UN-Ausschuss zur Beseitigung der rassistischen
Diskriminierung (CERD). Die Europäische Kommission gegen Rassismus und
Intoleranz (ECRI) wies in ihrem dritten Bericht zu Deutschland gleichfalls
auf Erscheinungen des Rassismus in Staat und Gesellschaft hin. Ebenso die
Menschenrechtsbeauftragte des Europarats.

"Nicht nur die Polizei ist eine Antwort angesichts dieser eklatanten
Menschenrechtsverletzung schuldig, sondern die Bundesrepublik Deutschland
insgesamt", so die Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte,
Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin.

Die Internationale Liga für Menschenrechte unterstützt die Forderung der
schwarzen Community und der Initiative im Gedenken an Oury Jalloh, zur
Aufklärung der Umstände, die zum Tod von Oury Jalloh führten, eine
unabhängige internationale Expertenkommission einzusetzen.


Eine gemeinsame Presseerklärung von:

Afrikarat, Diakon Alimamy L Sesay (Vorsitzender)
Migrationsrat Berlin Brandenburg, André Degbeon (Sprecher)
Flüchtlingsrat Berlin, Jens-Uwe Thomas
Internationale Liga für Menschenrechte, Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin
(Präsidentin)

Kontakt: Yonas Endrias 01799404690

rolf-goessner@ilmr.de


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