PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
Presseerklärung

04. Dezember 2008

Bis zu 7.000 Syrern droht die Abschiebung
Das Rückübernahmeabkommen mit dem Folterstaat wirft seine Schatten voraus
PRO ASYL: Kollaboration trotz katastrophaler Menschenrechtssituation

PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.

Presseerklärung
04. Dezember 2008



Bis zu 7.000 Syrern droht die Abschiebung
Das Rückübernahmeabkommen mit dem Folterstaat wirft seine Schatten voraus
PRO ASYL: Kollaboration trotz katastrophaler Menschenrechtssituation


Bis zu 7.000 syrischen Flüchtlingen in Deutschland, die meisten unter ihnen Kurden, droht die Abschiebung. Das am 14. Juli 2008 vom Bundesinnenminister

Dr. Wolfgang Schäuble und dem syrischen Innenminister Bassam Abdel Majid unterzeichnete Rückübernahmeabkommen wirft seine Schatten voraus, obwohl es noch nicht ratifiziert ist. Passersatzdokumente zur Abschiebung werden inzwischen schnell ausgestellt, was Syrien bislang meist verweigerte. Nach dem Wortlaut des Abkommens sind auch Staatenlose betroffen, die Opfer jahrzehntelanger syrischer Ausgrenzungspolitik.



Derzeit halten sich im Rhein-Main-Flughafen wieder Syrer auf, denen binnen kurzer Zeit laissez passers ausgestellt werden. Bereits im Oktober wurden 12 syrische Kurden nach ihrer Ablehnung im Flughafenasylverfahren von Frankfurt am Main über Moskau in Richtung Herkunftsstaat abgeschoben. Nur zwei Wochen zuvor waren sie der syrischen Auslandsvertretung vorgeführt worden.



PRO ASYL kritisiert das Rückübernahmeabkommen Syrien-Deutschland als direkte Kollaboration mit einem Folterstaat. Dass das Auswärtige Amt drastische Fakten zur Menschenrechtssituation und zur Gewalttätigkeit des Regimes in einem Lagebericht vom 05. Mai 2008 zusammengetragen hat, rief beim vertragschließenden BMI offenbar keine Skrupel hervor.



Der Lagebericht ist ein Kompendium des Grauens: "Schon im normalen Polizeigewahrsam sind körperliche Misshandlungen an der Tagesordnung. Insbesondere bei Fällen mit politischem Bezug wird physische und psychische Gewalt in erheblichem Ausmaß eingesetzt. Die Misshandlungen dienen dabei der generellen Gefügigmachung ebenso wie der Erzwingung von Geständnissen, der Nennung von Kontaktpersonen und der Abschreckung. In den Verhörzentralen der Sicherheitsdienste ist die Gefahr körperlicher und seelischer Misshandlung noch größer. Hier haben weder Anwälte noch Familienangehörige Zugang zu den Inhaftierten, deren Aufenthaltsort oft unbekannt ist."



Äußerst fragwürdig allerdings ist auch der Bericht des Auswärtigen Amtes an einer Stelle. Behauptet wird dort, den syrischen Behörden sei bekannt, dass der Aufenthalt von Syrern in Deutschland oftmals lediglich auf der Basis behaupteter politischer Verfolgung erfolge. Erst wenn die Aussagen syrischer Asylsuchender in Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt seien, könnten sie als Schädigung syrischer Interessen angesehen und zur Grundlage von Verhaftungen und Repressionen gemacht werden. Hier wird die Gefährdung für Rückkehrer bagatellisiert.



Quelle ist hier offenbar die Selbstauskunft des Verfolgerregimes. Darauf deutet eine Auskunft der kanadischen Vertretung des UN-Flüchtlingshochkommissariats an die kanadische Einwanderungsbehörde vom 14. April 2008 hin. Darin heißt es: "Die syrischen Behörden haben verschiedenen Botschaften gegenüber angegeben, dass das schlichte illegale Verlassen (des Landes) nicht als ein ernstes Verbrechen angesehen werde" (Übersetzung: PRO ASYL). Offensichtlich hat es im Frühjahr 2008 eine Charme-Offensive Syriens bei den Auslandsvertretungen gegeben.



Obwohl man hier also die Darstellung der syrischen Seite wiedergibt, weist das Auswärtige Amt dennoch darauf hin, dass es Fälle gibt, ?in denen aus Deutschland abgeschobene abgelehnte Asylbewerber bei der Einreise wegen politischer Aktivitäten verhaftet und in mindestens einem Fall auch anschließend von einem Militärgericht in absentia zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Bisher handelt es sich hier doch um Einzelfälle.?



Beobachten kann die deutsche Auslandsvertretung allerdings nur Gerichtsverfahren. Und wenn jemand in die Mühlen des syrischen Regimes gerät, dann kann sich das Auswärtige Amt nur sehr vorsichtig verhalten, so der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gloser im Bundestag am 24. September 2008: "Aufgrund der Einschätzung, dass öffentlicher Druck auf die syrische Regierung häufig zu verstärkten Repressionen führt, finden diese Demarchen in der Regel vertraulich statt." Wahrlich, ein für die vertrauliche Zusammenarbeit in Sachen Abschiebung prädestiniertes Regime, das auf Interventionen in Sachen Menschenrechte mit verschärfter Repression reagiert.



Repression in Syrien, d.h. laut Lagebericht des AA: Inhaftierung ohne Vorführung vor einem gesetzlichen Richter und ohne Kontakt zu Anwälten und Verwandten. Unter Folter erpresste Geständnisse werden bei Gericht zugelassen. Bei Vorwürfen wie "Schädigung des Ansehens Syriens im Ausland" oder "Verbreitung falscher oder übertriebener Informationen" gibt es kaum Ansprüche an einen Schuldnachweis.



Wenn abgeschoben werden soll, tut derartige Willkür allerdings nichts zur Sache, meint der Staatsminister im Auswärtigen Amt. Das Abkommen wirke sich in Deutschland doch nur auf Personen aus, deren Ausreisepflicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren bereits festgestellt worden sei. Abgeschobene werden in Syrien kaum darauf hoffen können, dass derartige Testate des Rechtsstaats sie vor der Willkür des Regimes bewahren.



Für den 10. Dezember 2008 haben kurdisch-syrische Organisationen und Flüchtlingsunterstützerorganisationen zu einer Demonstration gegen die deutsche Abschiebungskollaboration mit Syrien am Brandenburger Tor aufgerufen. PRO ASYL trägt den Aufruf mit.



gez. Bernd Mesovic

Referent








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