PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.

Presseerklärung

28. Dezember 2007

Jahresrückblick 2007
PRO ASYL: Kein gutes Jahr für den Flüchtlingsschutz in Europa
PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.



Presseerklärung

28. Dezember 2007




Jahresrückblick 2007
PRO ASYL: Kein gutes Jahr für den Flüchtlingsschutz in Europa



Das Jahr 2007 war erneut ein Jahr, in dem viele Flüchtlinge nicht den Schutz erhalten haben, den sie brauchen. Deutschland und die EU nehmen immer weniger Asylsuchende auf und versuchen, sich der Flüchtlinge zu entledigen. Dieses Fazit zieht im Rückblick die bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL.



Tausende von Menschen sind im Jahr 2007 an den maritimen Außengrenzen der EU gestorben, viele von ihnen ertrunken beim Versuch, die Kanarischen Inseln, Italien und insbesondere die griechischen Inseln zu erreichen. Ein Bericht von PRO ASYL hat belegt, wie Flüchtlinge, die in Griechenland Schutz suchen, Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen werden. Wem es gelingt, das Territorium eines EU-Staates zu erreichen, der kann noch lange nicht mit einer fairen Prüfung seines Asylgesuches rechnen.



Konfrontiert mit der seit langem größten Flüchtlingskrise vor den Toren Europas, dem Exodus von über zwei Millionen Menschen aus dem Irak, zeigen die EU-Staaten keinen ernsthaften Willen, ihren Beitrag zur Aufnahme wenigstens eines Teils der Schutzbedürftigen zu leisten. Die größer gewordene EU mit ihren fast 500 Millionen Einwohnern hat mit der Erweiterung des Schengenraumes mehr Freizügigkeit im Innern geschaffen und gleichzeitig ihre Festungsmauern weiter nach außen verlegt und erhöht.



Nur wenigen Schutzsuchenden gelingt es, nach Deutschland zu gelangen und im Asylverfahren anerkannt zu werden. Bei einer extrem niedrigen Zahl von Neuantragstellern führen schon wenige Anerkennungen zum einem nennenswerten Anstieg der Schutzquote. So kann Deutschland weiterhin behaupten, hierzulande würden Flüchtlinge geschützt.





Bernd Mesovic

Referent





PS: Einen schlaglichtartigen Jahresrückblick finden Sie unter http://www.proasyl.de/de/presse/index.html




Ein schlaglichtartiger Jahresüberblick



Januar


Die am 9. Januar 2007 veröffentlichte Asylstatistik bezeichnet PRO ASYL als ein ?Dokument deutscher Verantwortungslosigkeit?. Die Statistik belegt, dass Deutschland als Zufluchtsland für Flüchtlinge weitgehend ausscheidet und seinen internationalen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. Die Zahl der Asylneuantragstellungen ging im Vergleich zum Jahr 2005 um mehr als 27 Prozent zurück. Die Statistik ist aber noch schöner als die Verhältnisse, denn jeder vierte Antrag wird von Amts wegen für ein neugeborenes Kind von Eltern gestellt, die ihrerseits Asyl in Deutschland beantragt haben. Die Anerkennungschance solcher ins Asylverfahren hineingeborener Kinder ist praktisch gleich Null. Das Asylverfahren samt seiner Ergebnisse ist politisch gesteuert, so die Kritik von PRO ASYL. Niedrige Anerkennungsquoten sollen den Weg freimachen für eine Zukunft ohne Flüchtlinge aber mit der jetzt propagierten ?zirkulären Migration?.




Februar


Migrations- und flüchtlingspolitisch kann es der Regierung nicht scharf genug zugehen in Deutschland. Gemeinsam mit dem DGB und dem Interkulturellen Rat in Deutschland wendet sich PRO ASYL gegen geplante Verschärfungen des Zuwanderungsgesetzes, die Einschränkungen des Ehegattennachzugs, Verschärfungen der Einbürgerungsvoraussetzungen und die faktische Abschaffung des Rechtsschutzes gegen Überstellungsentscheidungen in einen angeblich zuständigen anderen Staat mit sich bringen.




März


Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung Vernor Muñoz erregt Aufmerksamkeit mit der Veröffentlichung seiner Kritik am deutschen Bildungssystem. Um die Verwirklichung des Menschenrechts auf Bildung in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Muñoz Kritik gilt auch der Aufrechterhaltung der deutschen Vorbehalte gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Dies führt dazu, dass z.B. über 16-Jährige als ausländerrechtlich handlungsfähig gelten. Die Reaktion der deutschen Politik ist arrogant. Die Kultusminister lassen verlauten, einige der Kritikpunkte beruhten ?offensichtlich auf Missverständnissen?.



UNHCR legt die Asylzahlen für das Jahr 2006 vor: Nur noch 199.000 neue Gesuche wurden in der gesamten EU verzeichnet. Im Ländervergleich (Anzahl der Asylgesuche im Verhältnis zur Bevölkerungszahl) belegt Deutschland innerhalb der 25 EU-Mitgliedsstaaten den 17. Platz.




April


Im Irak wird die humanitäre Katastrophe immer deutlicher. Jeden Monat fliehen 50.000 Menschen außer Landes. Im Irak selbst leben 2 Millionen Menschen als Binnenflüchtlinge. Europa jedoch betreibt eine Politik des Wegschauens, der Abschreckung und Entrechtung irakischer Flüchtlinge. Nur knapp jeder zehnte Flüchtling aus dem Irak erhält einen Schutzstatus in der EU. Gemeinsam mit dem Europäischen Flüchtlingsrat ECRE fordert PRO ASYL eine gemeinsame, solidarische und humanitäre Antwort der EU. Dazu gehören faire Asylverfahren und, als Akt der internationalen Solidarität, eine Aufnahme von Flüchtlingen, die in den Nachbarstaaten des Iraks immer stärker unter Druck geraten.




Mai


27 Schiffbrüchige kämpfen vor Libyen tagelang um ihr Leben. Währenddessen unternehmen weder die maltesische noch die libysche Regierung zunächst etwas zu ihrer Rettung. Nach mehr als 24 Stunden nimmt ein Schiff der italienischen Marine die Menschen schließlich auf. PRO ASYL kritisiert den Vorfall als ein Ergebnis der Doktrin der militarisierten Grenzabschottung. Die Politik wolle Kapitäne und Reeder abschrecken, das zu tun, was auf hoher See selbstverständlich ist: die Rettung von Schiffbrüchigen.




Juni


Obwohl die EU-Staaten inzwischen bei Flugabschiebungen eng kooperieren, sind die Grenzpolizeien der EU-Staaten nicht in der Lage, aus den Erfahrungen mit Todesfällen durch Gewaltanwendung bei Abschiebungen zu lernen. Ein 23-jähriger Nigerianer stirbt am 9. Juni 2007 während seiner Abschiebung aus Spanien an Bord einer Linienmaschine der Fluggesellschaft Iberia. Osamuyia Aikpitanhi wurde gefesselt und geknebelt, Praktiken, die nach zwei Todesfällen in Deutschland durch Dienstanweisungen längst verboten sind.




Juli


Der UN-Sonderbeauftragte gegen Folter Thomas Hammarberg veröffentlicht seinen Deutschlandbericht. Er beschäftigt sich auch mit der Frage, wie es mit der Umsetzung menschenrechtlicher Verpflichtungen im Bereich Asyl und Einwanderung steht. Er zeigt sich besorgt über die vielfache Aberkennung des Flüchtlingsstatus durch Widerrufsverfahren in Deutschland und fordert eine Überprüfung. Er empfiehlt eine obligatorische kostenlose Rechtsberatung zu Beginn der Asylverfahren, was in Deutschland im Unterschied zu anderen Staaten nicht der Fall ist. Hammarberg setzt sich dafür ein, dass Asylsuchende, die wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates dorthin verbracht werden sollen, einen Rechtsschutz gegen die Entscheidung haben. Die deutsche Praxis der Residenzpflicht hält er für fragwürdig, wenn die Beschränkungen über Jahre hinweg andauern. Er fordert eine Rechtsberatung für Abschiebungshäftlinge.




August


Nichtregierungsorganisationen veröffentlichen Berichte über einen Vorfall in Südmarokko. In der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2007 sind demnach marokkanische Ordnungskräfte mit Schüssen gegen Menschen vorgegangen, die mit einem Boot das Land verlassen wollten. Das Resultat: zwei Tote, zwei Schwerverletzte. Gemeinsam mit anderen europäischen Nichtregierungsorganisationen kritisiert PRO ASYL eine neue Welle von Razzien gegen Menschen aus Staaten des subsaharischen Afrikas, bei der Marokko Tote in Kauf nimmt.




September


Menschen und Flüchtlingsrechte gelten auch auf hoher See. Die von der EU-Agentur Frontex konzipierte und ausgeführte Flüchtlingsabwehr z.B. im Mittelmeer missachtet jedoch menschen- und flüchtlingsrechtliche Verpflichtungen der EU-Staaten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das PRO ASYL gemeinsam mit amnesty international und dem Forum Menschenrechte in Auftrag gegeben hat. Was auf hoher See fast täglich geschieht, nämlich Flüchtlinge an der Weiterfahrt zu hindern oder sie zurückzuschleppen, ist illegal.




Oktober


Wie Flüchtlinge in der Praxis Opfer von Misshandlungen und Rechtlosigkeit werden, demonstriert PRO ASYL gemeinsam mit einer griechischen Rechtsanwaltsvereinigung am Beispiel des Umgangs der griechischen Behörden mit Flüchtlingen auf den ostägäischen Inseln. Die Küstenwache misshandelt systematisch neuankommende Flüchtlinge. Sie versucht Boote zu blockieren und aus den griechischen Gewässern zurückzudrängen. Tote werden in Kauf genommen, Bootsinsassen auf unbewohnten Inseln ausgesetzt oder auf dem offenen Meer ihrem Schicksal überlassen. Gegen Neuankommende, die es an Land geschafft haben, wird unter Bruch des Völkerrechts regelmäßig eine Abschiebungsanordnung verhängt. Die von einer PRO ASYL-Delegation zuvor besichtigten Haftlager bieten unerträgliche Lebensbedingungen. PRO ASYL kritisiert es als unverantwortlich, Flüchtlinge, die aus Griechenland weitergeflüchtet sind, vor diesem Hintergrund nach Griechenland zurück zu überstellen, auch wenn Griechenland für das Asylverfahren formal zuständig ist.




November


Der PRO ASYL-Bericht führt zu einer heftigen Debatte im griechischen Parlament und in den griechischen Medien. Die griechische Regierung kündigt an, die Vorwürfe schonungslos aufklären zu wollen. In der Folgezeit sterben weitere Flüchtlinge beim Versuch, vom türkischen Festland aus die ostägäischen Inseln zu erreichen.




Dezember


Anlässlich der Innenministerkonferenz zieht PRO ASYL die Bilanz zum Bleiberechtsbeschluss der Innenminister, der vor einem Jahr gefasst wurde. Der Aufenthalt der meisten bislang über Jahre hinweg Geduldeten ist immer noch ungesichert. Die Hoffnungen der Geduldeten werden sich zum großen Teil nicht erfüllen. Insgesamt wurden zum Stichtag 30. September 2007 nur knapp 20.000 Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Bezogen auf diejenigen Geduldeten, die länger als 6 Jahre in Deutschland lebten, entspricht die Zahl der erteilten Aufenthaltserlaubnisse 19,7 Prozent. Nicht nur zwischen den Bundesländern gibt es extreme Unterschiede bei der Umsetzung der Regelung, sondern auch von Ausländerbehörde zu Ausländerbehörde.













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