Katastrophale Bilanz beim Bleiberecht - nach 5 Monaten erst 172 Aufenthaltserlaubnisse erteilt





Katastrophale Bilanz beim Bleiberecht - nach 5 Monaten erst 172
Aufenthaltserlaubnisse erteilt

* Ausländerbehörde verkürzt Frist für Bleiberechtsanträge -
Anträge nur noch bis 18.05.07 möglich *

* Infoveranstaltungen zum Bleiberecht am 19.04. und 24.04.07 *


Fünf Monate nach dem Innenministerbeschluss vom 17.11.2006 zum
Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge liegt bei der Berliner
Ausländerbehörde die Mehrzahl der gestellten Anträge auf Halde. Der
Flüchtlingsrat erhielt am 11.04.07 Kenntnis von einer Statistik,
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Statistik_Bleiberecht_110407.pdf
wonach in Berlin bisher 2336 Flüchtlinge das Bleiberecht beantragt
haben. Erst 172 Anträge auf Aufenthaltserlaubnis wurden bisher
genehmigt, bereits 306 Anträge abgelehnt.


Dabei hatten alle Beteiligten ganz andere Größenordnungen erwartet. Die
Berliner Zeitung vom 21.11.06
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/1121/lokales/0025/index.html
zitierte den Innensenator wie folgt:

"Innerhalb von zwei Wochen können Flüchtlinge, die eine Arbeit
nachweisen, damit rechnen, ein Daueraufenthaltsrecht zu erhalten. Das
hat Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern angekündigt.Von den
offiziell rund 8 800 Flüchtlingen in Berlin profitieren laut Körting bis
zu 2 500 Flüchtlinge, etwa ein Viertel, vom Bleiberecht, auf das sich
die Innenminister geeinigt hatten."


Die Ausländerbehörde scheint ihre Aufgabe jedoch vor allem darin zu
sehen, eine schnelle und großzügige Umsetzung der Bleiberechtsregelung
zu verhindern.

Mit einer klammheimlichen Weisungsänderung hat die Ausländerbehörde
jetzt die Antragsfrist für das Bleiberecht nachträglich verkürzt. Nur
noch bis zum 18.05.07 kann jetzt das Bleiberecht beantragt werden. Nur
wer bis zu diesem Tag einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt
hat, kann noch bis zum 01.10.07 das Arbeitsangebot nachreichen.

Die Ausländerbehörde hatte ursprünglich mit Weisung vom 19.12.06 zur
Umsetzung des IMK-Beschlusses festgelegt, dass für die
Aufenthaltserlaubnis ein Antrag noch bis zum 01.10.07 gestellt werden
kann, wenn dem Antrag ein Arbeitsangebot beigefügt ist. *)

Der Innensenator hält die Verkürzung der Frist für unproblematisch, weil
im Hinblick auf das erwartete Inkrafttreten des - vom Bundestag erst
noch zu beschließenden - gesetzlichen Bleiberechts in Berlin ein
Abschiebestopp gilt. Wer das Bleiberecht erst nach dem 18.05.07
beantragt, wird deshalb zwar nicht abgeschoben, muss aber vorerst weiter
von Sozialleistungen leben, da er nur eine Duldung erhält, mit der die
Arbeitsaufnahme bis auf weiteres faktisch ausgeschlossen ist.

Die Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ist
voraussichtlich erst wieder möglich, wenn das gesetzliche Bleiberecht in
Kraft tritt. Ob das allerdings im Juli, im Oktober, oder noch später der
Fall sein wird, ist offen.

Die Verkürzung der Frist kostet Geld und verhindert die Integration der
Flüchtlinge. Wir fordern den Innensenator auf, die nachträgliche
Verkürzung der Antragsfrist zurückzunehmen, und dafür zu sorgen, dass
die Bleiberechtsregelung in Berlin auch im Übrigen großzügig umgesetzt
wird.


Flüchtlingsrat Berlin
18.04.2007

***


Der Flüchtlingsrat Berlin informiert in den nächsten Tagen auf
öffentlichen Infoveranstaltungen über die Voraussetzungen für
Flüchtlinge nach der Bleiberechtsregelung:


* am Donnerstag, den 19. April 2007 um 18 Uhr
in der Manege, gegenüber der Rütli-Schule, Rütlistr. 1-3, U-Bahn
Hermannplatz
ReferentInnen:
MitarbeiterInnen der Migrationserstberatung des Diakonisches Werkes und
der AWO in Neukölln, Silvia Pfaff-Hofmann (Rechtsanwältin), Georg
Classen (Flüchtlingsrat Berlin)

Moderation:
Herr Dzembrinzki (Schulleiter Rütlischule)

Veranstalter:
Jugendwohnen im Kiez, Träger der Schulsozialarbeit Rütli-Schule, Tel.
600347614

Die Einladung zum Weiterverteilen:
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Ruetli_Bleiberecht_190407.pdf


* am Dienstag, den 24. April 2007 um 18.30 Uhr
im Rathaus Wedding (Altbau), Walther-Rathenau-Saal, Müllerstraße 146,
U-Bahn Leopoldplatz

Referenten:
Ronald Reimann (Rechtsanwalt), Georg Classen (Flüchtlingsrat Berlin)
mit Übersetzung in arabisch, türkisch, serbokroatisch und französisch

Veranstalter:
Lotsenprojekt Sprengelkiez, Müllerstraße 158, Tel. 60503098

Die Einladung zum Weiterverteilen:
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Wedding_Bleiberecht_240407.pdf


Der Flüchtlingsrat Berlin informiert auch im Internet mit ständig
aktualisierten Hinweisen und Merkblättern über das Bleiberecht:

http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/bleiberecht.php


---

*) Die ca. 450 Seiten umfassende Weisung "VAB Berlin" ist auf den Seiten
der Ausländerbehörde im Internet veröffentlicht. Alle ein bis zwei
Monate wird die Datei aktualisiert, Änderungen in rot und kursiv
hervorgehoben. Die am 7.3.07 auf Seite 85 geänderte Nr. 23.s.1.10 der
Weisung mit der geänderten Antragsfrist ist allerdings nicht
entsprechend markiert.

Bei einem Gespräch mit der Innenverwaltung am 11.04.07 erfuhren wir nur
zufällig von der Verkürzung der Frist. Die betreffenden Auszüge aus den
Weisungen finden sich hier:
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Weisung_Bleiberecht_Antragsfrist.pdf


Weitere Beispiele, warum die Umsetzung des Bleiberechts durch die
Ausländerbehörde bisher nicht funktioniert:

* Zu den konkreten Voraussetzungen für das Bleiberecht haben
Ausländerbehörde oder Innenverwaltung weder Merkblätter veröffentlicht,
noch - wie andere Ausländerbehörden - die Betroffenen gezielt
angeschrieben und auf diese Weise über ihre Rechte informiert.

* Flüchtlinge erhalten die Aufforderung, die für das Bleiberecht nötigen
Unterlagen nachzureichen. Die Schreiben werden auch verschickt, wenn
längst alles vorliegt. Alleinstehende werden aufgefordert, Nachweise
über den Schulbesuch ihrer nicht vorhandenen Kinder vorzulegen. Welche
Unterlage im konkreten Fall ggf. tatsächlich noch fehlt, lässt sich den
Schreiben der Ausländerbehörde jedenfalls nicht entnehmen.

* Anträge auf Aufenthaltserlaubnis, denen ein verbindliches
Arbeitsangebot beigefügt ist, bleiben über Monate ungeprüft liegen.
Viele Arbeitgeber können so lange nicht warten und ziehen ihr Angebot
zurück.

* Flüchtlinge, die das Bleiberecht beantragen und ein Arbeitsangebot
vorlegen, erhalten von der Behörde einen Stapel vom Arbeitgeber
auszufüllender Formulare für die Arbeitsmarktprüfung. Unter Hinweis auf
den Vorrang Deutscher wird dann nach mehreren Wochen die
Arbeitserlaubnis abgelehnt. Der Antrag auf das Bleiberecht bleibt jedoch
unbeantwortet. Dabei gilt für Flüchtlinge, die unter das Bleiberecht
fallen, die Arbeitsmarktprüfung gar nicht.

* Asylbewerber, die die Voraussetzungen nach der Bleiberechtsregelung
erfüllen, erhalten Ablehnungsbescheide wegen "fehlender
Ausreisepflicht". Die Weisung der Ausländerbehörde zum Bleiberecht sieht
jedoch vor, dass Asylbewerber eine schriftliche Zusicherung erhalten,
dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, wenn sie im Gegenzug ihre
Asylklage zurücknehmen.

1000 x 100 Euro - Spendenaufruf für das Aktionsprogramm!




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