Presseerklärung vom 09.11.2007

Ohne Rücksicht auf Krankheit schiebt Ausländerbehörde Flüchtlingsfamilie nach Polen ab

Presseerklärung vom 09.11.2007

Ohne Rücksicht auf Krankheit schiebt Ausländerbehörde Flüchtlingsfamilie nach Polen ab

Gestern wurde ohne eine ärztliche Untersuchung die Abschiebung eines
viermonatigen kranken Säuglings, seiner kranken Geschwister (6 und 7
Jahre, amtsärztlich festgestellte posttraumatische Belastungsstörung)
und der Eltern durchgeführt.

Am 8.11.2007 wurde in den frühen Morgenstunden die aus Tschetschenien
stammende Familie D. überraschend im Flüchtlingsheim in Berlin aus dem
Bett gerissen und festgenommen zur Abschiebung nach Polen. Vor den Augen
seiner kleinen Kinder wurden dem Vater Valid D. Handschellen angelegt
und er wurde abgeführt. Der Säugling der Familie und die 6 und 7 Jahre
alten Kinder sind krank, müssen mit Antibiotika behandelt und waren in
diesen Zustand laut ärztlicher Aussage nicht reisefähig. Das älteste
Kind ist seit Juli 2007 in psychologischer Behandlung bei einem
Kinderpsychologen im Behandlungs-zentrum für Folteropfer. Es leidet an
einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese Diagnose hatte die
Amtsärztin des Bezirksamtes Spandau von Berlin gestellt.

Obwohl diese Erkrankung dem für die Koordination der Abschiebung der
Familie nach Polen zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
bekannt war und der Ausländerbehörde mitgeteilt wurde, dass die Familie
nicht reisefähig sei, hielten es Ausländerbehörde und Bundesamt nicht
für nötig, die Kinder von einem Arzt untersuchen zu lassen. Sie wurden
lediglich einem Polizeisanitäter im Abschiebegewahrsam Berlin-Grünau
vorgestellt, der bei den Kindern Fieber maß, eine Tablette gab und die
Familie kurzerhand für reisefähig erklärte.

Es ist bereits mehrfach vorgekommen, dass Polizeisanitäter des
Abschiebegewahrsams ärztliche Aufgaben wahrgenommen und bei
lebensbedrohlichen Erkrankungen (Herzinfarkt) Fehldiagnosen gestellt und
die rechtzeitige Einleitung ärztlicher Versorgung verhindert haben.*)

Die Familie wurde nach Polen abgeschoben, ohne dass sicher gestellt ist,
dass sie dort - wie es das EU-Recht in der "Asylaufnahmerichtlinie"
vorschreibt - an eine Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende
weitergeleitet und versorgt werden und die Kinder die dringend benötigte
ärztliche und psychologische Versorgung erhalten.

Wir fordern, dass die Ausländerbehörde Aussagen und Atteste von Ärzten
ernst nimmt und nicht durch Aussagen von Polizeisanitätern widerlegen lässt.

Es darf nicht sein, dass eine asylsuchende Familie mit kranken
Kleinkindern abgeschoben wird, ohne dass ihre Auf-nahme und ärztliche
Versorgung in Polen sichergestellt ist.

Wir fordern, dass diese Praxis sofort beendet wird.

Wir erachten die gestrige Festnahme für vollkommen unangemessen. Diese
Vorgehensweise führt zur Retraumatisierung der Kinder, die bereits in
ihrer Heimat Verfolgung erlebt haben.

Bis jetzt hat die Familie in Polen keine ärztliche Versorgung erhalten.
Wir fordern die zuständigen Behörden auf, die Familie von Valid D. nach
Deutschland zurückzuholen.


Für weitere Informationen:
Rechtsanwältinnen
Antonia v.d. Behrens 0176-60857822,
Berenice Böhlo 0176-2079631

PDF


Berlin, 09.11.2007
Flüchtlingsrat Berlin


1000 x 100 Euro - Spendenaufruf für das Aktionsprogramm!




- Home -