Presseerklärung
5. Oktober 2010
Fünf Jahre nach dem Flüchtlingsdrama von Ceuta und Melilla
PRO ASYL: Die Toten und Verletzten waren ein Menetekel
In den Nächten vor dem 5. Oktober 2005 versuchten mehr als 1.000 Flüchtlinge aus verschiedenen afrikanischen Staaten die meterhohen Grenzzäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu überwinden. Mindestens 16 Menschen starben zum Teil an Schussverletzungen, viele weitere wurden verletzt. Menschen hingen im rasiermesserscharfen Stacheldraht des Grenzzauns. Über allem kreisten gleichzeitig
marokkanische und spanische Hubschrauber.
Die spanische Regierung leitete am 6. Oktober 2005 Massenabschiebungen nach Marokko ein. Ohne Prüfung des Einzelfalles oder die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, wurden die Flüchtlinge unter Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention abgeschoben.
Fünf Jahre nach dem Flüchtlingsdrama erinnert PRO ASYL an die Opfer der europäischen Abschottungspolitik. "Die Kollaboration der EU-Staaten mit den Staaten Nordafrikas hat weite Teile der Region zur Zone der Rechtlosigkeit für Flüchtlinge werden lassen", so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL. "Die Toten und Verletzten von Ceuta und Melilla waren ein Menetekel. Europa ist bereit, bei der Grenzabschottung Gewalt auszuüben oder zu delegieren, koste es auch Menschenleben."
Eine ernsthafte politische und justizielle Aufarbeitung der Todesschüsse von Ceuta und Melilla hat es nicht gegeben. Mit spanischem Wohlwollen ging Marokko gegen Flüchtlinge und Migranten vor. Bereits in den darauffolgenden Wochen wurden über 2.000 Schutzsuchende von der marokkanischen Polizei aneinander gekettet und ohne Verpflegung mitten in der Wüste Sahara ausgesetzt.
Die blutigen Ereignisse von Ceuta und Melilla, das Verschließen des ?Schlupflochs³ nach Europa, haben in den Folgejahren die Fluchtrouten nach Süden verschoben - mit dramatischen Folgen. Seit 2006 starteten Flüchtlingsboote vermehrt von Westafrika über das offene Meer auf die Kanarischen Inseln. Der lange und gefährliche Weg hat Tausende das Leben gekostet. Mittlerweile ist auch dieser Fluchtweg versperrt, weil die spanische Marine in Kooperation mit FRONTEX Flüchtlinge auf hoher See und vor der westafrikanischen Küste abfängt und zwangsweise zurückschickt.
Anstatt die Rechtlosigkeit Schutzsuchender an den Außengrenzen zu beenden, betreiben die EU und ihre Mitgliedstaaten eine Flüchtlingspolitik, die die Orte der Menschenrechtsverletzungen und des Sterbens verlagert. In der halben Dekade seit den blutigen Ereignissen von Ceuta und Melilla sind tausende Bootsflüchtlinge auf dem Weg nach Europa gestorben und über 10.000 zwangsweise in Drittstaaten wie Libyen, Marokko, Mauretanien und die Türkei zurück verfrachtet worden.
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