Frau nach 27 Jahren wg. angebl. Identitaetstaeuschung abgeschoben -

Kundgebung Di 15.00 Rotes Rathaus


Berlin: Frau nach 27 Jahren wg. angebl. Identitaetstaeuschung abgeschoben - Kundgebung Di 15.00 Rotes Rathaus

Frau nach 27 Jahren abgeschoben

Der Tagesspiegel 6.4.2008
http://www.tagesspiegel.de/berlin/Schoeneberg-Abschiebung;art270,2507675

Der Schock sitzt tief: "Es ging alles ganz schnell, wir durften uns nicht mal verabschieden", sagte gestern die Schönebergerin Nislin O., deren Mutter Khadra nach 27 Jahren in Berlin von ihrer Familie getrennt und in die Türkei abgeschoben wurde. Die Polizei kam Mittwochmorgen und setzte die Frau ins Flugzeug nach Istanbul. Seit ihrer Ankunft habe sie den Flughafen nicht verlassen, sagt die Tochter. Die staatenlose Frau, die nach Ermittlungen der Behörden türkischen Ursprungs ist, könne kein Türkisch und habe nur 30 Euro in der Tasche.

Die 51-Jährige hat sieben Kinder und zwei Enkel. Mit ihrem Mann, einem Libanesen, war sie 1981 aus dem Libanon nach Berlin geflohen. Ihr Vater war Türke, der nach Angaben der Familie in den Libanon geflohen war, dort soll Khadra O. geboren sein. Mit ihrem Schicksal hatte sich bereits die Härtefallkommission beschäftigt, sich für eine Duldung ausgesprochen, dies aber offenbar mit der Auflage verbunden, dass die Frau sich einen türkischen Pass besorgen solle. Die Behörden waren wohl der Ansicht, die Frau verweigere ihre Mitarbeit, die Familie wiederum betont, die Frau habe sich um die libanesische Staatsangehörigkeit bemüht, das Verfahren sei noch im Gange. Auch die Duldungsfrist laufe erst in zwei Monaten ab.

Der Anwalt der Familie war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Sprecherin der Senatsinnenverwaltung bestätigte die Abschiebung. Es sei ein hartes persönliches Schicksal, aber man müsse auch die Rechtslage beachten. Nislin O. hatte vor dem Abtransport ihrer Mutter mit einem Sprung aus dem Fenster gedroht. Sie versteht nicht, warum ihre Mutter aus heiterem Himmel der Familie entrissen werden konnte. C. v. L.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 06.04.2008)

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Ergänzende Anmerkungen:

Die Familienangehörigen der Abgeschobenen haben sich für Dienstag 8. April spontan mit Freundinnen und Freunden um 15.00 Uhr zu einer Protestkundgebung vor dem Roten Rathaus vereinbart. Um Unterstützung wird gebeten.

Bedingung für das von der Innevervwaltung zugesicherte Bleiberecht nach der Härtefallregelung war, dass die Frau sich "einen Pass" besorgt, ein Herkunftsland war nicht benannt. Dass sie sich um einen libanesischen Pass bemüht und das Verfahren noch andauert - ihr Ehemann ist Libanese und sie ist in Beirut geboren und im Libanon aufgewachsen - hatte sie durch eine Bescheinigung der libanesischen Botschaft vom Januar 2008 nachgewiesen.

Das von der Ausländerbehörde veranlasste Strafverfahren gegen Frau O. wg. angeblicher Identitätstäuschung endete im Oktober 2006 mit einem Freispruch durch das Landgericht Berlin.

Die Abschiebung nach so langer Zeit in ein Land, in Frau O. nie gelebt hat, verstöß gegen jegliche menschenrechtlichen Grundsätze.

Georg Classen
www.fluechtlingsrat-berlin.de

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TAZ 07. April 2008
http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/abschiebung-nach-27-jahren-in-deutschland/?src=TE&cHash=6a0e3faa12

Der lange Atem der Ausländerbehörde
Abschiebung nach 27 Jahren in Deutschland


Angebliche Scheinlibanesin wurde in die Türkei ausgeflogen. Nach Angaben ihrer Familie spricht die in Beirut geborene Frau kein Wort Türkisch. Gericht hatte sie vom Vorwurf der Identitätstäuschung freigesprochen. VON MARINA MAI


Eine Berliner Kurdin ist nach 27 Jahren Aufenthalt in Deutschland in die Türkei abgeschoben. Die Ausländerbehörde hat der siebenfachen Mutter Khadra O. eine Täuschung vorgeworfen: Die in Beirut geborene Frau soll sich als staatenlose Kurdin aus dem Libanon ausgegeben haben.

"Wir durften uns nicht einmal von unserer Mutter verabschieden", sagt die 26-jährige Nislin O., Tochter von Khadra O. Die Polizei sei am vergangenen Mittwoch in aller Frühe in die Wohnung in Schöneberg eingedrungen, habe die Mutter mitgenommen und sie noch am selben Tag abgeschoben. Dabei spreche sie kein Wort Türkisch, sagt die Tochter. "Meine Mutter hat uns inzwischen aus der Türkei angerufen. Sie lebt bei einer Verwandten einer Berliner Nachbarin".

Am Dienstag will die Familie gemeinsam mit Freunden vor dem Roten Rathaus für die Wiedereinreise der Mutter demonstrieren. Flüchtlingsrat, Grüne und Linke unterstützen die Forderung.

Nach Angaben von Rechtsanwalt Reinhard Klich ist seine Mandantin arabische Kurdin. "Die Ausländerbehörde behauptet, sie sei in einem türkischen Geburtsregister eingetragen und habe in der Türkei gelebt". Der Anwalt vermutet jedoich eine Verwechslung. "In ihrer libanesischen Heiratsurkunde steht ein anderes Geburtsjahr als das in dem türkischen Geburtsregister, auf das die Ausländerbehörde sich beruft", sagt Kilch. "Meine Mandantin war nie in der Türkei, wie die Ausländerbehörde es behauptet." Ein Berliner Strafgericht habe sie deshalb vor eineinhalb Jahren von dem Vorwurf der Identitätstäuschung freigesprochen.

Vor einem Jahr hatte sich die Härtefallkommission mit der Staatenlosen beschäftigt. Sie empfahl Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sagt Komissionsmitglied Hans-Peter Becker: "Dem hat Körting unter der Voraussetzung zugestimmt, dass die Frau eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und zumindest teilweise von der Sozilahilfe weg kommt." Zudem sollte Khadra O. die angebliche Identitätstäuschung zugeben und einen türkischen Pass beantragen.

Das war ihr nach Angaben des Anwaltes aber nicht zumutbar. "Meine Mandantin hat aber einen libanesischen Pass beantragt und das der Ausländerbehörde auch mitgeteilt. Es dauert jedoch lange, bis man so einen Pass bekommt." Nach Angaben der Tochter Nislin O. hätte ihre 51-jährige Mutter in der Firma einer Familienangehörigen arbeiten können. Sie bekam aber keine Arbeitserlaubnis. Nicola Rothermel, Sprecherin der Innenverwaltung, betont, die Abschiebung beruhe auf einer "rechtmäßigen Entscheidung der Ausländerbehörde und nicht auf einem Behördenversehen." Im Innenausschuss hatte Staatssekretär Ulrich Freise (SPD) gestern erklärt, die Zusage einer Aufenthaltserlaubnis an Frau O. sei an Auflagen gebunden gewesen, die sie nicht erfüllt hatte.

Rechtsanwalt Rüdiger Jung vertritt die Schwester der abgeschobenen sogenannten "Scheinlibanesin". Ihr könnte in einigen Jahren dasselbe passieren wie Khadra O. Seine Mandantin hat lediglich ein Aufenthaltsrecht, weil zwei ihrer deutschen Kinder noch minderjährig sind. Rüdiger Jung: "Wenn die Behörde nicht einlenkt, würde meiner Mandantin nach 35 Jahren Aufenthalt die Abschiebung drohen."

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