Tod in Abschiebehaft in Hessen - Mustafa Alcali
Wir trauern um Mustafa Alcali
Quelle: http://www.internationales-zentrum-friedberg.de/news.php

Tod in Abschiebehaft in Hessen - Mustafa Alcali
Wir trauern um Mustafa Alcali

Wir trauern mit seiner Familie um Mustafa Alcali, der sich am Morgen des
27.6.2007 in Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt in Frankfurt das
Leben nahm.

Der Abschiebehaft war vorausgegangen eine Zwangseinweisung wegen
Eigengefährdung in das psychiatrische Krankenhaus in Hanau und
anschließend in das Justizvollzugskrankenhaus in Kassel. Mustafa hatte mit
Selbstmord gedroht.

Als er auf Beschluss eines Hanauer Richters nach Kassel verbracht werden
sollte, versuchte Dr. Weiler vom psychiatrischen Krankenhaus Hanau dies zu
verhindern, fand aber kein Gehör. Er hatte akute Schizophrenie bei Mustafa
attestiert. In Fesseln wurde er nach Kassel verbracht. Im dortigen
Justizvollzugskrankenhaus wurde die Diagnose Dr. Weilers nicht akzeptiert.
Er wurde als Simulant eingestuft, obwohl Atteste und Diagnosen von Dr.
Weiler vorlagen und dieser dringend eine Weiterbehandlung angeraten hatte.
Man nahm ihm sogar die Medikamente weg.

Zur Vorgeschichte
Nach Kämpfen zwischen PKK und türkischen Militär und dem Tod des
Familienvaters war die Mutter mit vier Kindern vor etwa 15 Jahren nach
Deutschland gekommen und hatte hier Asyl beantragt. Mustafa kam als junger
Mann zur PKK. In ihrem Auftrag ging er von Deutschland aus in den Iran um
sich ausbilden zu lassen. Dort wurde er aufgegriffen und an die Türkei
ausgeliefert. Er hat im Gefängnis schreckliche Dinge erlebt, die ihn auch
hier immer wieder verfolgten und die er auf keinen Fall noch einmal
aushalten konnte, wie er sagte. Diese Erlebnisse haben ihn, auch für Laien
offensichtlich(nicht aber für die deutschen Behörden), traumatisiert.
Nach seinem Gefängnisaufenthalt sollte er Dienst leisten für ein Militär,
das er für den Tod seines Vaters verantwortlich machte. Er desertierte und
kam zurück zu seiner Familie nach Deutschland. Hier stellte er Asylantrag.
Da Desertion kein Asylgrund ist und das Gericht ihm seine Darstellung von
seiner Zwangslage zwischen PKK und türkischen Behörden nicht glaubte,
wurde der Antrag abgelehnt. In seiner Jugendzeit war er einmal an einer
Schlägerei beteiligt, was ihm eine Jugendstrafe wegen Körperverletzung
einbrachte. Diese war jetzt dafür verantwortlich, dass er nicht unter das
neue Bleiberecht für Flüchtlinge fiel. Eine Vorstrafe, auch wenn sie in
der Jugend begangen wurde, ist ein Ausschlussgrund.

Obwohl sich der Verein Internationales Zentrum Friedberg, in dem er viele
Aktionen tatkräftig unterstützt hatte, immer wieder für ihn einsetzte,
wurde die Luft zum Atmen für ihn dünner. Er hatte eine junge Frau kennen
gelernt, die er heiraten wollte. Das hätte ihm auch ein Aufenthaltsrecht
gebracht. Das Paar hatte bereits einen Hochzeitstermin bekannt gegeben,
der dann aber wegen Problemen mit den Papieren nicht zustande kam. Die
zentrale Ausländerbehörde Darmstadt hatte ihn dann für einen
Sammeltransport in die Türkei vorgesehen, den er mit der Androhung seiner
Selbstanzündung verhindern konnte. Jedem, der es hören wollte, machte er
immer wieder klar, dass er niemals lebend in die Türkei abgeschoben werden
würde. Sein Rechtsanwalt wusste von seiner Zwangslage und stellte im Juni
noch einen Asylfolgeantrag, der aber vom Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge in Gießen abgelehnt wurde.

Als er dann von Kassel nach Frankfurt gebracht wurde, stand seine
Abschiebung unmittelbar bevor und Mustafa sah keinen anderen Ausweg mehr
als den Freitod.

Wir trauern um einen uns lieb gewordenen Menschen, der wegen seiner
schrecklichen Erlebnisse und der drohenden Abschiebung in die Türkei immer
unter Anspannung lebte und nur selten Momente der Ruhe und Gelassenheit
erleben konnte. Solche Momente gab es bei seiner Familie und wenn er
arbeiten und helfen konnte. Wir trauern um einen Menschen, der durch die
Maschen der deutschen Einwanderungsgesetzgebung gefallen ist und das mit
seinem Leben bezahlen musste. Dass diese Konsequenz für ihn zwangsläufig
war, hätte jeder wissen müssen, der sich auch nur in Ansätzen auf ihn
eingelassen hat. Wir fragen uns, wozu es eine Härtefallkommission gibt und
warum eine lang vergangene Jugendstrafe ein Ausschlussgrund für das neue
Bleiberecht ist. Wir fragen uns, warum einem Menschen, der offensichtlich
krank und traumatisiert war, kein anderer Ausweg als der Selbstmord
bleiben kann in einem Land, das stolz auf ist auf seinen Einsatz für die
Menschenrechte.

Sich auf die besonderen Schicksale von Flüchtlingen einzulassen, ist in
dieser Gesetzgebung nicht vorgesehen. Das wäre aber für die Durchsetzung
der Menschenrechte für Flüchtlinge in Deutschland unerlässlich. Sein Tod
macht deutlich, dass sich da viel ändern muss.

Internationales Zentrum Friedberg
Ausländerbeiräte Karben, Bad Nauheim und Friedberg

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